Die Franzosen sind ja bekanntlich Katholiken. Deshalb besitzen katholische Feiertage einen höheren Stellenwert als in Deutschland. Der Höhepunkt des französischen Jahres ist der 15. August. Als Mariä Himmelfahrt ist er ein landesweiter Feiertag. Zeitlich markiert der 15. August den Höhepunkt der Sommerferien und leitet gleichsam deren Ende ein. Am 1. September beginnt dann das neue Arbeits- und Schuljahr.
In meiner Familie hat der 15. August als Familienfest eine größere Bedeutung als Weihnachten. Normalerweise feiern wir den Tag mit der Familie meiner Schwiegermutter. Sie kommt aus dem kleinen Dorf Les Avanchers in den französischen Alpen.
Es liegt zwischen Chambery im Westen, Genf im Norden und der italienischen Grenze im Osten malerisch auf 1100 Metern, also auf halbem Weg zu den Gipfeln der umliegenden Berge. Der Höchste, genannt schwarzes Pferd (Cheval Noir), misst 2832 Meter. Noch einmal 300 Meter höher als das Dorf Les Avanchers wurde in den 1970er Jahren der Wintersportort Valmorel geschaffen.

Grand Niélard (2559 m) und Cheval Noir (2832 m)
Familienfeste jeder Art, wie runde Geburtstage, Hauseinweihungen oder Hochzeiten, werden in unserer Familie auf den 15. August oder ein naheliegendes Datum gelegt. Am 15. August werden neue Partner offiziell in die Familie eingeführt, Hochzeiten oder Geburten verkündet. Dazu versammelt sich die gesamte Großfamilie in Les Avanchers.
Die Familie umfasst im Idealfall 33 Personen: die Mutter meiner Schwiegermutter (der Vater ist vor zwei Jahren gestorben), meine Schwiegermutter und ihre fünf Geschwister sowie deren Partner, sämtliche Kinder und Kindeskinder. Bei wichtigen Festen sind wir noch mehr. Viele Familienmitglieder leben noch in dem Dorf. Andere kommen von weit her angereist.
Dieses Jahr stand die Feier zum 90. Geburtstag der Großmutter an, der eigentlich schon im Frühjahr stattgefunden hat. Da der 15. August in diesem Jahr auf einen Mittwoch fällt, haben wir diesmal bereits am Wochenende davor gefeiert. Feiern heißt in den meisten französischen Familien vor allem eins: Essen! Abgehalten wurde das Festmahl in einer Garage, da anderswo nicht ausreichend Platz für so viele Menschen vorhanden ist. Eine Cousine meines Mannes verkündete die im nächsten Winter erhoffte Geburt ihres ersten Kindes und spendierte zum „Apéro“ Champagner. Wir aßen fünf Stunden lang. Danach strömten alle wieder auseinander. Bis zum nächsten Jahr…