Eigentlich sollte das ein Beitrag über das Wahlrecht für Deutsche in Frankreich werden. Nun ist es doch einer über den Corona-Ausnahmezustand geworden. In diesem Beitrag erfährst du, wie sich das Leben der Menschen in Frankreich aufgrund des Coronavirus in den letzten Tagen verändert hat, wie es hier in Nizza heute auf den Straßen aussah und natürlich auch, wie du von deinem Wahlrecht in Frankreich Gebrauch machst.
Das Wahlrecht für Deutsche in Frankreich
Man kann als Deutscher in Frankreich an den Gemeinde- und Europawahlen teilnehmen, auch wenn man nicht die französische Staatsbürgerschaft besitzt. Denn Dank des Vertrags von Maastricht dürfen im europäischen Ausland lebende Europäer bei Kommunalwahlen und den Wahlen für das europäische Parlament wählen. In Frankreich wird der Vertrag seit 2001 umgesetzt.
Viele Jahre wusste ich nichts von diesem Wahlrecht für Deutsche in Frankreich. Auch nachdem das endlich der Fall war, machte ich nicht von ihm Gebrauch, da ich es immer versäumte die nötigen Formalitäten zu erfüllen. Asche auf mein Haupt!
Praktische Informationen zum Wahlrecht für Deutsche in Frankreich
Um als Deutscher oder Europäer in Frankreich wählen zu dürfen muss man mindestens 18 Jahre alt und im Besitz seiner bürgerlichen und zivilen Rechte sein und in natürlich in Frankreich wohnen. Möchte man in Frankreich bei den Europawahlen teilnehmen, darf man das natürlich nicht gleichzeitig in Deutschland tun.
Um von seinem Wahlrecht für Deutsche in Frankreich Gebrauch zu machen, muss man sich bis etwa 6 Wochen vor der Wahl, am besten aber früher, in die Wählerlisten eintragen lassen. Dies lässt sich online oder im Rathaus der Kommune in der man wohnt, erledigen.
Man benötigt einen Personalausweiß oder Pass sowie das berüchtigte „Justificatif de domicile“, also den Nachweis der Wohnadresse. Da es in Frankreich keine Meldepflicht gibt, können dazu verschiedene Dokumente, wie beispielsweise die Stromrechnung benutzt werde. Um in Frankreich wählen zu dürfen, muss man seit mindestens 3 Monaten in der Gemeinde leben, in der man sein Wahlrecht ausüben will. Eine Ferienwohnung allein genügt also nicht. Mehr Informationen über das Wahlrecht von Deutschen in Frankreich findest du hier.
Die Kommunalwahlen in Frankreich im Corona-Ausnahmezustand
Nun war es endlich so weit. Am vergangenen Sonntag (dem 15. März 2020) sollte ich zum ersten Mal an den französischen Kommunalwahlen teilnehmen und den Bürgermeister von Nizza wählen.
Wie in Frankreich üblich, bekam ich ein paar Tage vor der Wahl einen dicken Umschlag mit Wahlprogrammen und Wahllisten der Parteien zugeschickt, so dass ich mich gewissenhaft auf meine Entscheidung vorbereiten konnte. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen! Dachte ich zumindest.
Dass diese Wahl stattfand, war ein Paradox. Denn am Donnerstag vor der Wahl verkündete der Präsident der Republik, dass Schulen und Betreuungseinrichtungen vorläufig geschlossen bleiben. Am Samstagabend wurden dann sämtliche Restaurants, Kinos, Diskotheken und sogar sämtliche Geschäfte mit Ausnahme, derer die überlebenswichtig sind (also Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Tankstellen, Banken und Tabakgeschäfte), geschlossen. Dies gilt zumindest bis zum 15. April.
Wir haben am Samstagabend eine halbe Stunde vor Geschäftsschluss unseren Vorrat an Mal- und Bastelutensilien noch einmal aufgestockt, ohne zu wissen, dass es die letzte Chance war, denn die Nachricht von den Schließungen wurde erst zu jener Zeit verbreitet. Aber wenn man seine Dreijährige voraussichtlich sechs Wochen zu Hause betreuen muss, möglicherweise ohne die Wohnung zu verlassen, sind Malutensilien vielleicht überlebenswichtiger als Zigaretten.
Angst vor der Wahl
Dass die Wahl in dieser Situation trotzdem stattfand, stieß auf Unverständnis.
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle nun berichten, wie es war das erste Mal von meinem Wahlrecht als Deutsche in Frankreich Gebrauch zu machen. Aber schlussendlich haben wir uns dazu entschieden, nicht wählen zu gehen.
So ging es wohl Vielen. In ganz Frankreich lag die Wahlbeteiligung bei 45,5 Prozent. Es ist die niedrigste Wahlbeteiligung, die jemals bei Kommunalwahlen in Frankreich gemessen wurde. Der zweite Wahlgang wurde verschoben.
Hier in Nizza konnte sich Christian Estrosi mit 47,6 Prozent der abgegebenen Stimmen behaupten. Er gehört den Republikanern an und ist seit 2008 Bürgermeister der Stadt. 71,46 Prozent der wahlberechtigten Nizzaer gingen wie wir nicht zur Wahl. Am Tag nach der Wahl wurde Christian Estrosi positiv auf Corona getestet.
Ausgangsperre in Frankreich
Am Montagabend (dem 16. März und gestern) hielt Emmanuel Macron eine neuerliche Rede. Nun hat er vor einem Rekordpublikum von 35 Millionen Zuschauern erklärt, dass ab Dienstagmittag zunächst für zwei Wochen eine Ausgangssperre herrscht. Es ist nur noch erlaubt das Haus zu verlassen, um zum Arzt oder zur Arbeit zu gehen (wenn Heimarbeit nicht möglich ist), um pflege- oder betreuungsbedürftige Familienangehörige aufzusuchen, lebenswichtige Einkäufe zu erledigen, alleine kurz Sport zu machen oder den Hund auszuführen.
Wer die Wohnung verlassen will, muss außerdem eine Ausgangsausnahmebescheinigung mit sich führen, in der man versichert, dass einer dieser Gründe den Ausgang rechtfertigt. Jeder Verstoß wird geahndet.
Nachtrag: Aktuelle Informationen dazu findest du hier.
Vor der Ausgangsperre
Wir waren heute noch die letzten Besorgungen machen. Wie wohl die meisten Menschen in Frankreich. Plötzlich war alles anders. Viele Leuten trugen Masken, in die Geschäfte wurden nur noch wenige hineingelassen und auf den Straßen bildeten sich lange Schlangen, in denen die Menschen vorbildlich Sicherheitsabstand hielten.
Jetzt sind wir zu Hause. Vermutlich für eine lange Zeit.
Wie sieht es bei dir aus?
Hast du schon mal von deinem Wahlrecht als Deutsche in Frankreich oder einem anderen europäischen Land Gebrauch gemacht?
Wie gehst du mit der Corona-Krise um? Gehst du noch auf die Straße? Oder herrscht bei dir auch Ausgangssperre?
Suchst du Informationen zum Coronavirus in Frankreich?
Alle Informationen über die wichtigsten Vorschriften und Maßnahmen der französischen Regierung sowie Informationen zum Arztbesuch in Frankreich findest du in gesonderten Beiträgen.
Warum ich das Leben während der Ausgangssperre gar nicht so schlimm fand, erfährst du hier. Wie sich das Leben nach 19 Tagen Ausgangssperre verändert hat, erfährst du hier.
4 Kommentare
Interessanter Erfahrungsbericht. Das hatte ja keiner ahnen koennen, dass diese Aussnahmesituation so zuschlaegt… Tanti Saluti aus Rom
Danke dir! Wie geht es denn euch da drüben?
Per Zufall bin ich auf deine Blog-Seite gestossen. Der Beitrag über Wahlen und Corona im März trifft sicherlich auf die Großstädte zu. Ich bin auch Berliner und wohne nun schon 17 Jahre im Dept. Dordogne ( St. Meard de Gurcon ) Das Haus selber haben wir schon im Jahr 1985 gekauft und sind dann all die Jahre in den Ferien zum renovieren gekommen. Zur Wahl im März letzten Jahres ist zu sagen, dass in unserem Dorf ( ca. 900 Einwohner ) eine Wahlbeteiligung von über 80% registriert wurde. Es war Einzeleinlass, Mund-Nasen-Schutz und man musste seinen eigenen Kugelschreiber mitbringen. Auf dem Land tickt Frankreich eben anders und vor allen Dingen gibt es auch große Unterschiede in den einzelnen Regionen. Auch jetzt aktuell wird bei uns die Situation nicht dramatisiert. Wie heißt es doch so schön in Frankreich.: C’est la vie. Vielleicht solltest du auch auf die ländlichen Gepflogenheiten in deinem Blog eingehen. Liebe Grüsse aus der Dordogne. Manfred.
Hallo Manfred!
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar!
Du hast völlig recht, dass es in Frankreich große regionale Unterschiede gibt. Aber ich kann ja nur über das berichten, was ich kenne und in diesem Fall, war das meine Angst. Ich freue mich aber tatsächlich sehr über jeden Kommentar, in dem ich erfahre, wie es denn anderen so ergeht und welche Erlebnisse sie haben. Das ist sehr bereichernd!
Ich freue mich, mehr von dir zu hören!
Viele Grüße,
Feli