Am 19. Mai sind die heißersehnten Lockerungen in Frankreich in Kraft getreten. Hier erfährst du, was jetzt wieder alles möglich ist und wie Nizza und ich den ersten Tag „in Freiheit“ verbracht haben.
Die Lockerungen in Frankreich auf einen Blick
Am 19. Mai, also am Mittwoch vor zwei Tagen, sind in Frankreich Lockerungen der Corona-Maßnahmen in Kraft getreten, die einen wesentlichen Schritt in Richtung Normalität bedeuten. Denn seit dem 19. Mai dürfen Geschäfte, Terrassen von Restaurants, Bars und Cafés, Kinos, Theater, Musiksäle, Sporteinrichtungen, Fußballstadien und Museen wieder öffnen. Außerdem wird die nächtliche Ausgangssperre von 19 auf 21 Uhr verschoben.

Natürlich ist nicht alles „wie früher“. Geschäfte dürfen nur einen Kunden pro acht Quadratmeter empfangen. Restaurants, Bars und Cafés können nur die Außenbereiche öffnen und auch nur mit einer Auslastung von 50 Prozent. Höchstens sechs Personen können an den Tischen Platz nehmen. Kinos, Musiksäle und Theater dürfen maximal zu 35 Prozent ausgelastet sein. Das Gleiche gilt für Sporteinrichtungen und Stadien.
Endlich wieder Leben in Nizza!
Seit Tagen wurde überall in Nizza gewerkelt und die Neueröffnung der Geschäfte und Restaurants, ja des gesamten öffentlichen Lebens vorbereitet. Wir konnten die Lockerungen in Frankreich alle kaum erwarten!
Viele Straßenzüge in Nizza gaben monatelang nicht nur ein trauriges Bild ab, sondern sogar ein beängstigendes. Denn viele Geschäfte und Restaurants waren nicht nur geschlossen, sondern völlig verlassen. Sie sahen so aus, als hätten ihre Betreiber einfach aufgegeben. In manchen Boulevards, in denen sich normalerweise Geschäft an Restaurant reiht, musste man 200 Meter weit laufen, um einen Laden zu finden, der nicht verriegelt und verrammelt war.
Die Lage im Departement Alpes-Maritimes: Vom Hotspot zum grünen Departement

Wir hier im Departement Alpes-Maritimes haben auch besonders zu feiern. Denn während wir monatelang Corona-Hotspot von Frankreich waren und unsere 7- Tages-Inzidenz am 24. Februar bei 642 lag, ist sie seitdem kontinuierlich gesunken. Gestern, am 20. Mai lag sie bei 48. Die Lokalpresse verkündete glücklich, dass wir mit dieser niedrigen Inzidenz nun ein grünes Departement sind und zwar das erste Mal seit Juni 2020. Nur fünf andere Departements in der französischen Metropole haben derzeit einen solchen Wert. Der französische Durchschnitt liegt derzeit bei 125.
37 Prozent der Menschen im Departement Alpes-Maritimes haben schon wenigstens eine Impfung erhalten. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung ist vermutlich immunisiert, da er schon eine Corona-Erkrankung durchgemacht hat.

Pünktlich zum Tag der Lockerungen in Frankreich hat France Info einen Artikel veröffentlicht, in dem jeder nachlesen kann, wie lange sein Departement seit März 2020 unter welchen Restriktionen zu leiden hatte. In meinem Departement Alpes-Maritimes haben wir seit März 2020 demnach 145 Tage im Lockdown verbracht. 117 zusätzliche Tage mussten wir eine nächtliche Ausgangssperre ertragen. Die nicht-lebensnotwendigen Geschäfte mussten an 163 Tagen, Sportstädten, Restaurants und Museen an 280 Tagen, Kinos an 300 Tagen und Diskotheken an 431 Tagen geschlossen bleiben.
Mein 19. Mai hatte schon einen besonderen Anfang…
Pünktlich einen Tag vor den Lockerungen in Frankreich, am 18. Mai sind wir nach Breil gefahren, um uns unsere zweite Impfung abzuholen. Übrigens hatten wir mittlerweile schon mehrere Impfangebote und hätten uns auch in Nizza impfen lassen können.
Am Morgen des 19. Mai sind wir kurz vor sieben wieder nach Nizza aufgebrochen. Wohlgemerkt ohne Nummernschild. Das war am Vortag abhandengekommen. Man parkt ja hier in Frankreich sehr eng und viele Autofahrer lassen sich langsam gegen das Nummernschild des Vor- oder Hinterwagens rollen.
Unser Nummernschild war schon ein paar Wochen locker. Als mein Mann am 18. Mai von der Arbeit kam, war es einfach weg. Es ist in solchen Fällen erlaubt, weiter zu fahren, wenn man das Autokennzeichen auf einen Zettel schreibt und diesen gut sichtbar, zum Beispiel hinter der Windschutzscheibe, platziert. Ich hatte mich dennoch schon bei der Hinfahrt gewundert, dass uns niemand anhielt. Auf der Autobahn zwischen Nizza und Menton stehen an den Mautstationen dutzende, teilweise schwer bewaffnete Polizisten, um die Grenze zu kontrollieren.
Als wir an jenem Morgen an die Mautstation kamen, äußerte ich gegenüber meinem Mann meine Verwunderung, dass wir nicht angehalten würden und prompt wurden wir zur Seite gewunken und von fünf Polizisten umstellt. Mein Mann fing an die Geschichte zu erzählen und schlussendlich wollten sie nicht einmal unsere Papiere sehen, sondern rieten uns nur so schnell wie möglich das Nummernschild zu ersetzen.
Ein Hauch von Freiheit
Als wir dann endlich in Nizza ankamen, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Da stand eine kleine Gruppe strahlender Menschen im Außenbereich eines Cafés und schlürfte strahlend seinen Kaffee. Selbst unser Präsident hat sich an jenem Morgen in einem Café ablichten lassen.

Es ist auch wirklich so. Seit Tagen reden alle von ihrem ersten Restaurantbesuch und dass man rechtzeitig reservieren sollte. Selbst die kleinen, vierjährigen Mädchen in der Vorschule erzählen sich, dass sie mit ihren Eltern ins Restaurant gehen werden. Mein liebes Frankreich!
Ich glaube jeder weiß, dass es mit der vermeintlichen Sicherheit schnell wieder vorbei sein kann. Aber es gibt eben verschiedene Möglichkeiten mit dieser Gewissheit umzugehen. Es gibt jene, die daraus schließen, dass man absolut vorsichtig sein muss, und jene, die denken, dass das Leben zu kurz ist, um sich um alles zu sorgen, da man viele Dinge nicht beeinflussen kann. Hier in Nizza ist eher der Menschenschlag verbreitet, der die zweite Meinung vertritt.
Tanz in den Sonnenuntergang
Natürlich müssen auch wir an diesem Abend rausgehen, obwohl wir total kaputt sind. Endlich wieder nach 19 Uhr auf die Straßen gehen! So lange durften wir seit Oktober nicht mehr raus. Endlich wieder einen Sonnenuntergang bewundern dürfen! Endlich wieder leben!

Wir machen also das, was ich schon fast als familiäres Ritual bezeichnen möchte: Einen ausgedehnten Spaziergang in die Altstadt von Nizza. Die Straßen sind an diesem Abend sehr belebt, aber nicht überfüllt. Alle haben besonders gute Laune. Viele haben sich besonders schick angezogen. Es ist so schön, die gut besuchten Restaurants zu sehen.

Überall ist Straßenmusik zu hören. Für einen kurzen Moment tanzen wir sogar in der Altstadt von Nizza! Da sind wir auch an unserem Ziel. Wir belohnen uns mit einem Eis. Es ist zwar nicht das erste in diesem Jahr, denn die Eisgeschäfte haben schon ein paar Tage früher aufgemacht. Aber heute hat auch die Verkäuferin besonders gute Laune. Dann laufen wir beschwingt wieder zurück und genießen auf der Promenade des Anglais den Sonnenuntergang.
Es lebe das Leben!


Pünktlich ein paar Minuten nach 21 Uhr sind wir wieder zu Hause. In ein paar Städten, wie Rennes und Bordeaux feiern die Menschen an diesem Abend ein bisschen zu lange. In Rennes übertreiben es manche auch etwas, so dass es am nächsten Tag in der Zeitung steht.

Und du?
Wonach sehnst du dich nach diesem Corona-Jahr am meisten? Erzähl mir davon in den Kommentaren!
6 Kommentare
Huh, da geht ja die Post ab auf Nizzas Straßen! Es sei den Menschen vergönnt, sie haben so lange darauf warten müssen. Jetzt, da immer mehr geimpft werden, kann es nur noch aufwärts gehen. Dieses unbekümmerte „sich einfach ins Cafe setzen“ hat gefehlt, auch hier. Glücklicherweise haben sogar die Geschäfte auf. In Deutschland wachsen die kostenlosen Teststationen wie Pilze aus dem Boden. Und ganz glücklich kann sich derjenige schätzen, der gar einen Freifahrtsschein… pardon, einen Impfnachweis besitzt. Der Sommer kann kommen! (Update: der Sommer ist mit 32 Grad Hitze schon da…)
Liebe Grüße
Kasia
Liebe Kasia,
ja es hat so gefehlt! Hier ist es eigentlich genau umgekehrt. Kaum jemand lässt sich testen. Dafür kann sich jeder der will, impfen lassen. Das Problem ist eher, dass manche nicht wollen. Wir genießen erst einmal das Meer, die Hitze und den Moment.
Liebe Grüße
Felicitas